Selbstbestimmt Wohnen
Menschen mit Behinderung sollen selbst entscheiden können, wie, wo und mit wem sie wohnen möchten. Genauso, wie alle anderen Menschen auch. Mit der UN-Behindertenrechtskonvention haben sie auch das Recht darauf. Inzwischen gibt es viele Angebote: inklusive Wohn-Gemeinschaften, Wohn-Assistenz oder Mehr-Generationen-Häuser. Doch noch immer können manche Menschen mit Behinderung nicht so wohnen, wie sie es möchten.
- Was bedeutet Selbstbestimmt Wohnen?
- Wohnen mit Behinderung im Wandel
- Was sind inklusive Wohngemeinschaften?
- Tipp: Beispiele für inklusives Wohnen
- Was bedeutet „Wohnen für Hilfe“?
- Was ist ein Mehrbedarf bei Wohnraum für Menschen mit Behinderung?
Was bedeutet Selbstbestimmt Wohnen?
In Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention steht: "Menschen mit Behinderung müssen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben. Sie dürfen nicht auf eine besondere Wohnform verpflichtet sein."
Im 9. Sozialgesetzbuch (Paragraf 8, Absatz 3) steht: "Leistungen, Dienste und Einrichtungen lassen den Leistungsberechtigten möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung."
Beide Gesetze sollen erreichen, dass Menschen mit Behinderung frei wählen können,
- wo sie wohnen,
- wie sie wohnen und
- mit wem sie wohnen.
Die rechtliche Situation hat sich für Menschen mit Behinderung dadurch sehr verbessert. Aber in der Wirklichkeit sieht es oft anders aus. Noch immer fehlen barrierefreie Wohnungen, ambulante Wohn-Angebote und mehr finanzielle Unterstützung. Ambulantes Wohnen bedeutet: Menschen wohnen in einer Wohnung oder Wohn-Gemeinschaft und bekommen nur dann Hilfe, wenn sie diese brauchen.
Ob in einer Wohn-Gemeinschaft, bei den Eltern oder allein: In Zukunft soll es mehr Wahlmöglichkeiten geben. Damit das möglich wird, braucht es mehr barrierefreie Wohnungen, finanzielle Unterstützung und ein größeres Angebot an Teilhabe-Assistenz.
Wohnen mit Behinderung im Wandel
Bis in die 1970er Jahre haben viele Menschen mit Behinderung in Wohnheimen gelebt. Heute gibt es mehr Möglichkeiten: Man kann zum Beispiel in Mehr-Generationen-Häusern, in inklusiven Wohn-Gemeinschaften oder in betreuten Wohn-Gruppen leben. Durch Assistenz und ambulante Hilfe können viele Menschen mit Behinderung auch alleine, mit Partner oder Familie wohnen. Wohnheime mit einer 24-Stunden-Betreuung gibt es aber immer noch.
Wie viele Menschen mit Behinderung in den unterschiedlichen Wohn-Angeboten leben, ist nicht genau bekannt. Insgesamt steigen die ambulanten Wohn-Angebote immer weiter. Etwa 40 Prozent der Menschen mit Behinderung leben in diesen Wohn-Formen. Die Bewohner*innen dort haben meistens eine körperliche Behinderung.
Viele erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernschwierigkeiten leben bei ihrer Familie (rund 60 Prozent).
Aber auch die Wohnheime für Menschen mit Behinderung haben sich seit den 1970er Jahren verändert. Heute leben weniger Menschen in einer Wohnheim-Gruppe zusammen. Einzel- oder Doppel-Zimmer ermöglichen einen eigenen persönlichen Bereich.
Was sind inklusive Wohngemeinschaften?
In inklusiven Wohn-Gemeinschaften (WG) wohnen Frauen und Männer mit und ohne Behinderung. Meistens gibt es Voraussetzungen für die Aufnahme in eine WG. Die Mitbewohner*innen müssen sich zum Beispiel für das Leben in der WG selbst entscheiden können. Oder sie müssen in der Lage sein, am gemeinsamen Leben teilzunehmen. Die Menschen mit Lernbehinderung, die in WGs wohnen, sind erwachsen. Die Bewohner*innen ohne Behinderung wohnen oft mietfrei in den WGs. Sie verpflichten sich aber, die Bewohner*innen mit Behinderung zu unterstützen.
Die inklusiven WGs sind mehr als reine Zweck-Gemeinschaften. Es sind Orte des Zusammenlebens. Die Bewohner*innen kochen und essen zusammen. Sie verbringen einen Teil ihrer Freizeit gemeinsam oder fahren zusammen in Urlaub. Und sie haben gemeinsame Pflichten: zum Beispiel Putzen, Einkaufen und Spülen. Die Mitbewohner*innen ohne Behinderung sind dabei Ansprechpartner im Alltag. Zugleich bleiben aber auch Familien-Angehörige wichtige Bezugspersonen.
Inzwischen gibt es in vielen Städten inklusive Mehr-Generationen-WGs. Die Wohnungen in den WGs sind meistens barrierefrei gebaut.
Auf der Internetseite der Aktion Mensch können Sie sich das Leben in der inklusiven WG "6plus4" in Dresden ansehen.
Mehr Infos: WOHN:SINN ist ein Bündnis für inklusives Wohnen. Auf der Internetseite von WOHN:SINN gibt es eine WG-Börse und Informationen für alle, die sich für inklusive Wohn-Gemeinschaften interessieren. Die Infos von WOHN:SINN gibt es auch in Leichter Sprache.
Tipp: Beispiele für inklusives Wohnen
Auf der Internetseite der Aktion Mensch finden Sie gute Beispiele für inklusives Wohnen.
Zu den Wohn-Beispielen
Was bedeutet „Wohnen für Hilfe“?
Beim „Wohnen für Hilfe“ wohnen Student*innen im Haus oder der Wohnung von:
- Senior*innen
- Menschen mit Behinderung
- pflegebedürftigen Menschen
- Alleinerziehenden
- Familien mit Kindern.
Die Student*innen wohnen dabei in einem eigenen Zimmer oder in einer Einliegerwohnung. Die Student*innen müssen keine Miete bezahlen, meistens nur die Nebenkosten. Dafür müssen sie mehrere Stunden im Monat helfen. Die Hilfe kann zum Beispiel in diesen Bereichen stattfinden:
- Hilfe im Haushalt, zum Beispiel kochen, sauber machen
- Gartenarbeit
- Einkaufen
- Kinderbetreuung
- Fahrdienste
- Unterstützung am Computer
- Begleitung bei Freizeit-Aktivitäten
- oder einfach Gesellschaft leisten.
Ausgenommen von der Hilfe sind Pflege-Leistungen!
In einem Vertrag legen beide Parteien genau fest, welche Hilfe geleistet wird. Und auch wie viele Stunden Hilfe pro Monat geleistet wird. Als Regel gilt hier: Eine Stunde Hilfe im Monat für einen Quadratmeter Wohnfläche. Zum Beispiel: Das Zimmer der Studentin oder des Studenten ist 15 Quadratmeter groß. Dann fallen ungefähr 15 Stunden Hilfe pro Monat an.
Viele ältere Menschen und Menschen mit Behinderung können durch die Hilfe-Leistung selbstständiger leben oder länger zu Hause wohnen bleiben.
„Wohnen für Hilfe“ lebt von der Zusammenarbeit von jungen Menschen, Student*innen und Menschen, die Hilfe gebrauchen können. Angebote gibt es meistens in Universitätsstädten.
Mehr Informationen dazu lesen Sie auf der Internetseite der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnen für Hilfe Deutschland und auf der Internetseite des Deutschen Studentenwerks.
Was ist ein Mehrbedarf bei Wohnraum für Menschen mit Behinderung?
Manche Menschen mit Behinderung können mehr Geld für eine barrierefreie Wohnung bekommen. Anders ausgedrückt: Sie dürfen eine größere Wohnung haben. Die Voraussetzung dafür:
- Sie erhalten Arbeitslosengeld 2 (auch Hartz 4 genannt)
- oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Bei bestimmten Behinderungen haben Sie dann Anspruch auf mehr Wohnraum. Das nennt man Mehrbedarf bei Wohnraum. Dies können bis zu 15 Quadratmeter pro Person mit Behinderung sein. Wer Arbeitslosengeld 2 oder Grundsicherung bekommt, kann für eine größere Wohnung dann auch mehr Geld bekommen.
Mehr Geld für eine barrierefreie oder größere Wohnung können Personen bekommen, die:
- auf einen Rollstuhl angewiesen ist,
- einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen aG hat,
- stark sehbehindert oder blind ist (Merkzeichen Bl) oder
- den Pflegegrad 4 haben.
Mehr Informationen dazu bekommen Sie in Ihrem Jobcenter oder bei den EUTB-Beratungsstellen.
Weitere Informationen
- Beratung und Informationen zu den verschiedenen Wohn-Möglichkeiten können Sie bei den EUTB-Beratungsstellen bekommen.
- Thema Wohnen auf der Internetseite der Lebenshilfe.
- Thema Wohnen auf der Internetseite EnableMe.
- Infos zu den Förderprogrammen im Bereich Wohnen der Aktion Mensch.
- Das Projekt Selbstbestimmt Wohnen in NRW unterstützt Menschen mit komplexen Behinderungen und ihre Familien. Ziel des Projektes: Über Möglichkeiten und Modelle zum selbstständigen Wohnen zu informieren. Dadurch sollen mehr und bessere Wohn-Möglichkeiten für Menschen mit Mehrfach-Behinderung entstehen.
zuletzt aktualisiert: