Hand mit einem Richter-Hammer

Klage vor dem Sozialgericht

Sie brauchen dringend einen neuen Rollstuhl, aber die Krankenkasse will die Kosten nicht übernehmen? Oder das Versorgungsamt hat Ihnen einen zu niedrigen Grad der Behinderung zugeteilt? Sie haben bei der Pflegekasse Geld für den barrierefreien Umbau Ihrer Wohnung beantragt? Wenn Kranken- und Pflegekassen, Reha-Träger oder andere Behörden Ihren Antrag ablehnen, können Sie eine Klage vor dem Sozialgericht einreichen. Wir erklären Ihnen, wie das geht und was Sie dabei beachten müssen.

Wann kann ich klagen?

Für eine Klage beim Sozialgericht gibt es viele Anlässe. Zum Beispiel:

  • Wenn Sie zu Hause eine Assistenz brauchen. Aber der Reha-Träger genehmigt Ihnen kein Persönliches Budget.
  • Wenn das Versorgungsamt nicht den Grad der Behinderung zuerkennt, der Ihnen zusteht
  • Wenn die Rentenversicherung Ihren Antrag auf eine Erwerbsminderungs-Rente nicht bewilligt.
  • Wenn die Krankenkasse Ihnen ein anderes Hilfsmittel bewilligt als Sie brauchen.
  • Wenn die Krankenkasse Ihnen keine geeignete Rehabilitation genehmigt.


In Deutschland klagen jedes Jahr etwa 400.000 Menschen beim Sozialgericht gegen solche Bescheide von Behörden. Viele von ihnen bekommen Recht.

Erst Widerspruch, dann Klage

Bevor Sie eine Klage beim Sozialgericht einreichen können, müssen Sie Widerspruch einlegen.
Wenn die Behörde, Krankenkasse oder Versicherung Ihren Widerspruch ablehnt, erhalten Sie einen sogenannten „Widerspruchs-Bescheid“. Erst mit diesem Widerspruchs-Bescheid können Sie Klage einreichen.

Mehr dazu lesen Sie im Familienratgeber-Artikel Wie lege ich Widerspruch ein?

Wie finde ich das zuständige Sozialgericht?

Es gibt zwei Möglichkeiten:

  1. Sie schauen in Ihren Widerspruchs-Bescheid. Am Ende des Bescheids ist im Abschnitt „Rechtsbehelfsbelehrung“ das zuständige Gericht genannt.
  2. Sie gehen auf die Internetseite „Justizportal des Bundes und der Länder". Dort können Sie nach dem Sozialgericht suchen, das für Sie zuständig ist

Im Grunde können Sie die Klage bei jedem Gericht einreichen. Ist das Gericht nicht zuständig, leitet es Ihre Klage an das zuständige Gericht weiter. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, ob Sie die Klage an das richtige Gericht geschickt haben.

Am besten und schnellsten ist es, wenn Sie die Klage an das für Sie zuständige Gericht schicken.

Beratung ist wichtig

Eine Klage kann lange dauern und teuer werden. Deswegen ist es sehr sinnvoll, erst einmal mit einer Beratungsstelle zu sprechen. Bei den Beratungsstellen arbeiten Menschen, die viel Erfahrung mit Behörden, Versicherungen oder Krankenkassen haben.  Sie können hier die Expert*innen fragen, ob Ihre Klage Aussicht auf Erfolg haben kann. 

Mehr zum Thema Beratung

Muss ich für die Klage einen Anwalt oder eine Anwältin nehmen?

Nein, das müssen Sie in Verfahren vor dem Sozialgericht nicht. Auch in der zweiten Instanz vor dem Landessozialgericht müssen Sie keinen Anwalt oder keine Anwältin nehmen. Sie können auch selbst Widerspruch und Klage einreichen. Und Sie dürfen sich auch selbst vor Gericht vertreten. Doch das Sozialrecht ist sehr kompliziert. Gute Anwält*innen können dafür sorgen, dass Sie vor Gericht bessere Chancen haben zu gewinnen. Auch die Begründung für die Klage oder welche Unterlagen Sie einreichen sollten, können Anwält*innen meist besser einschätzen.

Welche Kosten können noch auf mich zukommen?

1. Keine Kosten für das Gerichtsverfahren:

Das reine Gerichtsverfahren am Sozialgericht ist für Sie kostenlos. Das gilt, wenn Sie mit einer Behörde, einem Amt, einer Versicherung oder ähnlichem im Streit sind und es um Ihre Behinderung geht. Zum Beispiel, wenn Sie einen Antrag auf einen Grad der Behinderung gestellt haben. Oder wenn Sie einen Antrag auf eine Assistenz gestellt haben.

Das Gerichtsverfahren am Sozialgericht ist auch für Menschen kostenlos, die gegen Ihre eigene Sozialversicherung vor dem Gericht klagen. Sozialversicherungen sind die gesetzlichen Krankenversicherungen, die Pflegeversicherung, die deutsche Rentenversicherung und die gesetzliche Unfallversicherung.

Beispiel: Neuer Rollstuhl

Sie brauchen einen neuen Rollstuhl. Dann stellen Sie den Antrag bei der Krankenkasse. Lehnt die Krankenkasse diesen Antrag ab oder bewilligt Ihnen stattdessen eine Gehhilfe, können Sie sich dagegen wehren. Erst einmal mit einem Widerspruch. Lehnt die Krankenkasse auch den Widerspruch ab, können Sie klagen. Als Versicherte*r der Krankenkasse ist das Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht für Sie nun kostenlos.

2. Weitere Kosten:

Bei den weiteren Kosten kommt es darauf an. Zum Beispiel, ob Sie einen Anwalt oder eine Anwältin nehmen wollen. Und ob Sie eine Rechtsschutz-Versicherung haben, die die Kosten für einen Anwalt oder eine Anwältin bezahlt. Oder ob Sie in einem Sozialverband Mitglied sind.

Am Ende kommt es auch darauf an, ob Sie das Gerichtsverfahren gewinnen oder verlieren:

  • Wenn Sie das Gerichtsverfahren gewinnen: Dann bekommen Sie in der Regel all Ihre Kosten zurückerstattet. Die Gegenseite muss Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin bezahlen. Auch Fahrtkosten und Briefmarken muss dann die Gegenseite bezahlen. Beachten Sie, dass Sie die Kosten für einen Anwalt oder eine Anwältin erst einmal selbst bezahlen müssen. Erst wenn Sie gewinnen, bekommen Sie diese Kosten zurückerstattet. Außerdem bekommen Sie die Kosten nur in der Höhe der gesetzlichen Gebühren für Anwälte und Anwältinnen erstattet.
  • Wenn Sie das Gerichtsverfahren verlieren: Dann müssen Sie „nur“ die Kosten für Ihren eigenen Anwalt oder Ihre Anwältin plus Fahrtkosten und Briefmarken bezahlen.

Was bedeutet Gegner, Gegnerin oder Gegenseite?

Wenn Sie eine Klage bei Gericht einreichen, dann haben Sie immer eine Gegenseite, eine Gegnerin oder einen Gegner. Streiten Sie sich zum Beispiel vor Gericht mit Ihrem Nachbarn oder Ihrer Nachbarin, dann ist Ihr*e Nachbar*in die Gegenseite. Streiten Sie sich vor Gericht mit einer Versicherung, dann ist die Versicherung die Gegenseite.

Die Gegenseite ist aus Ihrer Sicht immer die Person, das Unternehmen oder die Behörde, mit der Sie sich vor Gericht streiten.

Wenn ich das Gerichtsverfahren am Sozialgericht verliere, muss ich nur meinen eigenen Anwalt oder Anwältin bezahlen: Warum?

Hammer eines Richters und zwei Bücher

Normalerweise ist es so, dass die Verlierer*innen eines Gerichtsverfahrens alle Kosten bezahlen müssen. Das heißt: Sie müssen die Gerichtskosten und den Anwalt oder die Anwältin der Gegenseite bezahlen. Außerdem müssen sie den eigenen Anwalt oder die eigene Anwältin bezahlen.

Bei einem Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht ist das anders. Denn hier gibt es eine besondere Regel: Menschen, die in Abhängigkeit zu einer Behörde, einem Amt oder einer Versicherung stehen, müssen nur die Kosten für den eigenen Anwalt oder die eigene Anwältin bezahlen, wenn sie verlieren.

Übersicht: Wann muss ich einen Anwalt oder eine Anwältin bezahlen?

Folgende Menschen müssen nur den eigenen Anwalt oder die eigene Anwältin bezahlen, wenn Sie das Gerichtsverfahren verlieren:

Kläger*innenStreitigkeiten mitBeklagte
Menschen mit Behinderungwenn sie im Streit sind mitÄmtern, Behörden, Versicherungen oder ähnlichem, wenn sich der Streit konkret um die Behinderung dreht. Zum Beispiel: Antrag auf Grad der Behinderung, Antrag auf Gleichstellung zur Schwerbehinderung, Antrag auf Assistenz.
Versicherte der Rentenversicherungwenn sie im Streit sind mitder Rentenversicherung. Zum Beispiel: Antrag auf Erwerbsminderung.
Versicherte der gesetzlichen Krankenkassewenn sie im Streit sind mitder gesetzlichen Krankenkasse. Zum Beispiel: Antrag auf Hilfsmittel, Antrag auf Rehabilitation.
Versicherte der Pflegeversicherungwenn sie im Streit sind mitder Pflegeversicherung. Zum Beispiel: Antrag auf Pflegegrad, Antrag auf Zuschuss für barrierefreien Umbau.
Versicherte der Unfallversicherungwenn sie im Streit sind mitder gesetzlichen Unfallversicherung.
Empfänger*innen von Leistungen des Jobcenterswenn sie im Streit sind mitdem Jobcenter.
Empfänger*in von Sozialleistungen. Sozialleistungen sind zum Beispiel Krankengeld, Pflegegeld, Wohngeld, Bürgergeld, Sozialhilfe, BAföG, Leistungen der Sozialen Entschädigungwenn sie im Streit sind mitÄmtern und Behörden, die Sozialleistungen bezahlen.

Das bedeutet, dass Sie in jedem Fall höchstens den eigenen Anwalt oder die eigene Anwältin bezahlen müssen. Das ist ein sehr großer Vorteil. Sie können sich also gegen Behörden oder Ämter wehren, ohne zu hohe Kosten zu haben. Haben Sie eine Rechtschutz-Versicherung oder gewinnen Sie das Gerichtsverfahren, bekommen Sie alle Kosten zurück. Dann haben Sie sogar gar keine Kosten.

Kann eine Rechtsschutzversicherung helfen?

Das kommt darauf an. Nicht jede Rechtsschutz-Versicherung übernimmt die Kosten für Klagen beim Sozialgericht. Haben Sie schon eine Rechtsschutz-Versicherung abgeschlossen? Dann sehen Sie in Ihrem Vertrag nach. Dort steht, ob Ihre Versicherung auch für Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht Kosten übernimmt. Oder Sie fragen per E-Mail oder Telefon bei Ihrer Versicherung nach. Das Gleiche gilt, wenn Sie eine Rechtsschutz-Versicherung abschließen wollen: Fragen oder lesen Sie nach, ob die Versicherung Kosten für Klagen beim Sozialgericht übernimmt.
 
Die Kosten für Rechtsschutz-Versicherungen sind unterschiedlich. Meistens liegen sie bei 150 Euro bis 200 Euro im Jahr. Am besten wenden Sie sich an eine Verbraucherzentrale. Sie kann Ihnen sagen, ob eine Rechtsschutz-Versicherung in Ihrem Fall sinnvoll ist. Und Sie kann Ihnen helfen, eine passende Rechtsschutz-Versicherung zu finden. Auf der Internetseite der Verbraucherzentralen finden Sie eine Verbraucherzentrale in Ihrer Nähe.
 
Angenommen, Ihre Rechtsschutz-Versicherung schließt Klagen beim Sozialgericht ein. Dann übernimmt die Versicherung die Anwaltskosten für Ihre Klage. Vorausgesetzt, Ihre Klage hat Aussichten auf Erfolg. Die Rechtsschutz-Versicherung übernimmt auch meistens die Kosten für ein Privatgutachten. Allerdings nur dann, wenn das Gericht Ihren Antrag auf ein Privatgutachten bewilligt hat. In neueren Verträgen übernehmen die Rechtsschutz-Versicherungen Ihre Anwaltskosten meistens schon im Widerspruchsverfahren. In älteren Verträgen deckt der Versicherungsschutz meistens nur die Anwaltskosten für das Klageverfahren ab. Auch darauf sollten Sie achten.

Und auch das ist eine wichtige Frage, wenn Sie eine Rechtsschutz-Versicherung neu abgeschlossen haben: Wann kann ich mit Versicherungsschutz rechnen? Denn das ist unterschiedlich. Selten bekommen Sie den Versicherungsschutz sofort nach Vertragsabschluss. Meistens gilt der Vertrag erst nach drei Monaten Wartezeit. Immer gilt: Haben Sie erst Klage oder Widerspruch eingereicht und danach einen Vertrag abgeschlossen, zahlt die Versicherung nichts.

Wie viel Zeit habe ich, um eine Klage einzureichen?

Ab dem Tag, an dem Sie den Widerspruchs-Bescheid erhalten haben, haben sie einen Monat Zeit. Angenommen, Sie bekommen den Widerspruchs-Bescheid am 14. Juli. Dann muss die Klage spätestens am 14. August beim Sozialgericht sein. Damit das klappt, sollten Sie die Klage zwei Wochentage vorher verschicken. Am besten schicken Sie die Klage per Einschreiben mit Rückschein. Sie können die Klage aber auch bei Gericht abgeben und sich den Eingang quittieren lassen. Oder Sie werfen Sie spätestens einen Tag vor Ende der Frist in den Briefkasten des Gerichts.

Muss ich die Klage schriftlich einreichen oder geht es auch mündlich?

Beides geht. Sie können die Klage schriftlich beim Sozialgericht einreichen. Also verschicken oder in den Briefkasten des Gerichts werfen. Aber Sie können sie auch mündlich bei der sogenannten Rechtsantragstelle des Sozialgerichts einreichen. Fragen Sie beim Gericht einfach nach, wo die Rechtsantragsstelle ist. Dort nimmt ein Beamter oder eine Beamtin die Klage für Sie auf. Davon bekommen Sie dann normalerweise eine schriftliche Kopie. Sollten Sie nicht automatisch eine Kopie bekommen, so bitten Sie darum. Sie haben das Recht darauf, eine Kopie zu bekommen.

Gleiches gilt auch für alle anderen Anträge im Lauf des Verfahrens: Sie können alles schriftlich oder mündlich einreichen.

Welche Angaben und Unterlagen gehören zur Klage?

  • Ihr Name und Ihre Adresse.
  • Name und Adresse des Beklagten – das ist die Behörde oder Versicherung, gegen die Sie klagen wollen.
  • Ein Antrag, aus dem hervorgeht, was Sie mit Ihrer Klage erreichen wollen.
  • Die Begründung, weshalb Sie klagen wollen.
  • Eine Kopie des Bescheids der Behörde oder Versicherung, gegen den Sie Widerspruch erhoben haben.
  • Eine Kopie des Widerspruchs-Bescheids.
  • Weitere Unterlagen, die Sie für wichtig halten.

Begründung einer Klage

Zwei Personen vor einer Wand mit Akten

In der Begründung geben Sie an, warum Sie gegen den Widerspruchsbescheid der Behörde oder der Versicherung klagen. Sie können die Gründe für Ihre Klage in Umgangssprache verfassen. Sie können auch ähnliche oder dieselben Gründe nennen, die Sie in Ihrem Widerspruch genannt haben. Wenn inzwischen neue Informationen hinzugekommen sind, können Sie diese mit aufnehmen.

Für die Klagebegründung kann es nützlich sein, wenn Sie Akteneinsicht verlangen. Sie können die Akten aber auch bei der Behörde lesen. Auch Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin oder ein*e Rechtsexpert*in eines Behindertenverbands kann für Sie in Ihre Akten schauen. Sie können die Gründe auch später nachreichen. Das Gericht wird Ihnen dafür eine neue Frist setzen. Wie lang diese Frist ist, kann das Gericht frei bestimmen. Wichtig ist vor allem, dass Sie diese neue Frist für die Begründung einhalten.

Was bedeutet Akteneinsicht?

Jede Versicherung oder Behörde hat Akten über die Menschen, für die die Versicherung oder Behörde zuständig ist. Sind Sie zum Beispiel bei einer Krankenkasse versichert, hat die Krankenkasse eine Akte über Sie. Darin stehen die wichtigsten Informationen über Sie. Haben Sie zum Beispiel einen Antrag auf eine Reha gestellt, so steht auch das in der Akte. Außerdem weitere Informationen, von denen Sie vielleicht nichts wissen.

Verlangen Sie nun Akteneinsicht, bedeutet das: Sie wollen von der Versicherung wissen, was in Ihrer Akte steht. Die Versicherung ist dann verpflichtet, Ihnen eine Kopie der Akte zu geben. In der Akte über Sie, können wichtige Informationen stehen: Diese Informationen können Ihnen dabei helfen, eine gut begründete Klage zu schreiben.

Die Klage ist eingereicht - wie geht es jetzt weiter?

Das Gericht schickt Ihnen eine Eingangsbestätigung der Klage. Der Fachbegriff dafür ist Eingangs-Ermittlung. Gleichzeitig sendet das Gericht die Klage an die Gegenseite. Und das Gericht fordert die Gegenseite auf, ihre Meinung zur Klage mitzuteilen.
 
Wenn das Gericht weitere Informationen von Ihnen braucht, meldet es sich bei Ihnen. Sie müssen diese Informationen dann nachreichen.
Anschließend prüft das Gericht, ob es die Klage annimmt. Der Fachbegriff für die Prüfung heißt Sachverhalts-Ermittlung. Das heißt: Das Gericht ermittelt nun die Tatsachen zu Ihrem Fall.
 
Es kann sein, dass Ihnen das Sozialgericht einen Fragebogen schickt. Darauf müssen Sie die Adressen Ihrer Ärzte, Arztinnen, Krankenhäuser und die Art Ihrer Erkrankung oder Behinderung angeben. 

Was bedeutet Kläger*in und Beklagte*r?

Das Gericht nennt die zwei Seiten bei einem Gerichtsverfahren immer Kläger*in und Beklagte*r. Der Kläger oder die Klägerin ist immer die Person, das Unternehmen oder die Behörde, die den Streit vor Gericht angefangen hat. Sie hat die Klage bei Gericht eingereicht. Der oder die Beklagte ist die Person, das Unternehmen oder die Behörde, die sich vor Gericht wehren muss.

Damit helfen Sie dem Gericht. So kann es den Sachverhalt besser verstehen. Bei Klagen wegen einer Rente bei Berufsunfähigkeit oder Erwerbsminderung müssen Sie auch Fragen zu Ihrem beruflichen Lebenslauf beantworten. Sie sollten sich dazu möglichst Hilfe holen. Etwa bei einer Beratungsstelle oder bei Ihrem Anwalt oder Ihrer Anwältin.
 
Der Fragebogen kann auch eine „Erklärung über die Entbindung der Schweigepflicht“ enthalten. Mit Ihrer Unterschrift erlauben Sie Ihren Ärzten und Ärztinnen, Informationen an das Sozialgericht zu geben. Tun Sie das nicht, können dem Gericht wichtige Informationen zu Ihrem Fall fehlen.
Außerdem fordert das Sozialgericht von der beklagten Behörde oder Versicherung die Akten zu Ihrem Fall.
 
Dann liest der Richter oder die Richterin Ihre Klageschrift und Ihren Fragebogen. Er oder sie liest auch die Akten der Gegenseite. Außerdem kann das Gericht Zeug*innen hinzuziehen. Das heißt, der Richter oder die Richterin kann Ihre Ärzt*innen befragen. Das Gericht möchte dann zum Beispiel ärztliche Befunde und Stellungnahmen ansehen. Wenn Sie wollen, können Sie Ihre Ärzt*innen vorab darüber informieren.

Wann beauftragt das Gericht Gutachter*innen?

Manchmal reichen dem Sozialgericht die Befunde und Stellungnahmen der Ärzt*innen, Behörden oder Krankenhäuser nicht aus. Zum Beispiel wenn es um Pflegebedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsminderung, Reha-Maßnahmen oder medizinische Hilfsmittel geht. Dann beauftragt das Gericht einen unabhängigen Arzt oder eine Ärztin mit einem Gutachten. Der oder die Gutachter*in ist meistens ein Facharzt oder eine Fachärztin. Er oder sie muss sich in dem entsprechenden Fachgebiet gut auskennen. Der oder die Gutachter*in sieht sich Ihre Befunde an. Er oder sie kann auch ärztliche Untersuchungen bei Ihnen machen. Meistens sind solche Gutachten sehr ausführlich. Die Kosten dafür übernimmt der Staat.
 
Ist das Gutachten fertig, können Sie sich das Gutachten durchlesen. Auch die Gegenseite darf das Gutachten lesen. Sie und die Gegenseite können auch Fragen dazu stellen. Dann müssen beide Seiten sagen, wie sie das Gutachten finden. Zum Beispiel, ob sie es gut oder schlecht finden. Oder ob noch etwas fehlt.

Ich bin mit dem Gutachten des Gerichts nicht einverstanden. Was nun?

Dann können Sie einen Antrag auf ein sogenanntes Privatgutachten stellen. Wenn das Gericht Ihren Antrag annimmt, muss es ein weiteres Gutachten von einem anderen Arzt oder einer anderen Ärztin einholen. Der Fachbegriff dafür ist „Privatgutachten“.

Den Arzt oder die Ärztin für das Privatgutachten können Sie selber bestimmen. Sie können zum Beispiel eine Ärztin aussuchen, die man Ihnen empfohlen hat. Es sollte aber niemand sein, der Sie schon behandelt hat. Denn diesen Arzt oder diese Ärztin lehnt das Gericht wahrscheinlich ab. Der Grund: Das Gericht könnte denken, dass der Arzt oder die Ärztin auf Ihrer Seite ist. Und ein zweites Privatgutachten dürfen Sie nicht beantragen.

Das Privatgutachten müssen Sie bezahlen. Es kann bis zu einigen Tausend Euro kosten. Sie müssen dem Gericht einen Teil dieser Kosten als Vorschuss bezahlen. Wenn das neue Gutachten zur Klärung des Gerichtsverfahrens beigetragen hat, bekommen Sie Ihren Vorschuss zurück. Das gilt auch, wenn Sie den Prozess verlieren.

Wenn das neue Gutachten nicht entscheidend zur Klärung beiträgt, müssen Sie das Gutachten komplett bezahlen. Die Prozesskostenhilfe übernimmt die Kosten für ein Privatgutachten nicht. Wenn Sie eine passende Rechtsschutz-Versicherung haben, übernimmt sie die Kosten für ein Privatgutachten.

Wie läuft die mündliche Verhandlung ab?

Vor dem ersten Gerichtstermin kann es sein, dass das Gericht Sie und die Gegenseite zu einem sogenannten Erörterungstermin einlädt. Bei diesem Termin will das Gericht klären, ob sich beide Seiten vielleicht auch ohne Gerichtsverfahren einigen können. 
 
Wenn das Gericht dann alle Aussagen und Unterlagen geprüft hat, nennt es Ihnen den Termin für die mündliche Verhandlung. Sie bekommen die Einladung zum Gerichtstermin schriftlich. In der Einladung steht auch, ob Sie zum Gerichtstermin kommen müssen. Das ist nicht immer nötig. Ist es nicht nötig, können Sie selbst entscheiden, ob Sie dabei sein wollen.
 
In der mündlichen Verhandlung sind ein*e Berufsrichter*in und zwei ehrenamtliche Richter*innen dabei. Hier können Sie, Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin nochmal erklären, warum Sie Klage eingereicht haben. Die Gegenseite sagt auch ihre Meinung zur Klage.
 
Am Ende ziehen sich die Richter*innen zurück und entscheiden durch ein Urteil. Entweder geben Sie Ihnen Recht, dann haben Sie gewonnen. Oder sie weisen Ihre Klage als unbegründet ab. Das heißt, dass Sie die Klage verloren haben.
 
Das vollständige Urteil schickt Ihnen das Gericht später schriftlich per Post zu. Das kann bis zu fünf Monate dauern.

Gerichtsurteil ohne mündliche Verhandlung

In einfachen und eindeutigen Fällen fällt das Gericht seine Entscheidung manchmal ohne mündliche Verhandlung. Das geht nur, wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Dann entscheidet das Gericht durch einen Gerichtsbescheid. Dieser hat dieselbe Wirkung wie ein Urteil. Den Gerichtsentscheid bekommen Sie per Post.

Warum der Prozess manchmal ohne Urteil endet

Beide Parteien können sich auch ohne Urteil einigen. Aus drei Gründen kann ein Prozess ohne Urteil enden:

  • Wenn die Gegenpartei einsieht, dass Sie Recht haben. Der Fachbegriff dafür ist Anerkenntnis. Der Prozess ist dann beendet, wenn Sie das Anerkenntnis annehmen.
  • Wenn Ihnen die Gegenseite einen Vergleich anbietet. Das heißt, dass die Gegenseite einen Teil Ihrer Forderung erfüllen will. Der Prozess ist beendet, wenn Sie den Vergleich annehmen.
  • Wenn Sie denken, dass Sie Ihre Klage verlieren werden. Der Prozess ist beendet, wenn Sie Ihre Klage zurückziehen.

Anerkenntnis, Vergleich und Rücknahme der Klage können den Prozess schon vor einer mündlichen Verhandlung beenden. In allen drei Fällen genügt es, wenn Sie dem Gericht einen Brief schicken. Im Brief müssen Sie dann nur schreiben, dass Sie

  • das Anerkenntnis annehmen oder
  • den Vergleich annehmen oder
  • die Klage zurückziehen (Rücknahme).

Wie lange dauert eine Klage vor dem Sozialgericht?

Ein Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht kann lange dauern. Bis zu einem Urteil können etwa drei bis fünf Jahre vergehen. Es kann aber auch kürzer oder länger dauern. Das hängt von verschiedenen Dingen ab. Zum Beispiel davon,

  • wie viele Gerichtsverfahren gerade laufen
  • wie aufwendig das Gerichtsverfahren ist
  • ob das Gericht ein Gutachten haben möchte
  • ob noch ein zweites Gutachten nötig ist
  • ob jemand in Berufung geht

Schnelle Entscheidung: Wann ich einen Eilantrag stellen kann

Manchmal brauchen Menschen eine schnelle Entscheidung, weil sie sonst in eine Notlage geraten. Zum Beispiel, wenn sie sofort eine Pflege-Assistenz brauchen. Oder wenn ihr Kind sofort eine Schulweg-Hilfe oder eine Schulbegleitung braucht. Dann können Sie beim Sozialgericht einen Eilantrag stellen. Der Fachbegriff dafür ist einstweilige Anordnung.

Der Eilantrag ist zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens möglich. Sie können einen Eilantrag auch mehrfach stellen. Normalerweise stellen Sie den Eilantrag schriftlich. Sie können im Eilantrag in einfachen Worten beschreiben, worum es geht. Sie können aber auch zum Sozialgericht gehen. Dort können Sie den Eilantrag bei der Rechtsantragstelle mündlich stellen. Ein Beamter oder eine Beamtin nimmt den Eilantrag für Sie auf. Telefonisch können Sie den Eilantrag nicht stellen.

Wenn das Gericht Ihren Eilantrag bewilligt, dauert es nur wenige Wochen, bis das Gericht eine einstweilige Anordnung erlässt. Das kann zum Beispiel heißen, dass die beklagte Behörde Ihre Leistung vorläufig gewähren muss. Vorläufig gewähren bedeutet: Die Behörde oder Versicherung muss so lange zum Beispiel eine Schulweg-Hilfe bezahlen, bis das Gericht ein Urteil fällt.

Klage abgelehnt – was nun? Berufung?

Sie können gegen ein Urteil Berufung einlegen. Das heißt: Sie können das Urteil vom Landessozialgericht prüfen lassen. Dann gibt es ein neues Gerichtsverfahren. Das Gerichtsverfahren vor dem Landessozialgericht läuft ähnlich ab wie das Verfahren vor dem Sozialgericht.

Wie lege ich Berufung ein?

Sobald Sie das schriftliche Urteil erhalten haben, beginnt die Frist für die Berufung. Von da an haben Sie einen Monat Zeit, um in Berufung zu gehen. Dazu müssen Sie oder Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin dem Landessozialgericht schriftlich mitteilen, warum Sie Berufung einlegen. Zum Beispiel, weil sich die Richter*innen noch nicht alle medizinischen Berichte oder Unterlagen angesehen haben. Oder wenn inzwischen neue Beweise hinzugekommen sind.

Bedingung für eine Berufung

Für die Berufung gibt es eine Bedingung: Die von Ihnen geforderte Leistung muss mindestens 750 Euro betragen.

Zuletzt aktualisiert am 11. Januar 2024

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