Infos für Menschen mit Behinderung und deren Angehörige.

Wählen mit Behinderung

Bei Wahlen können Menschen mit Behinderung mitbestimmen. Sie haben bestimmte Rechte und bekommen Hilfe beim Wählen, wenn sie das wollen. In diesem Artikel bekommen Sie die wichtigsten Informationen zum Thema Wahlen für Menschen mit Behinderung.


Warum ist es für Menschen mit und ohne Behinderung wichtig zu wählen?

Wenn Sie wählen gehen, dann können Sie mitentscheiden, welche Politiker*innen regieren. Die gewählten Politiker*innen können viele Dinge entscheiden. Sie können zum Beispiel neue Gesetze oder Verordnungen zum Thema Verkehr, Bildung, Wirtschaft oder Gesundheit beschließen. All diese Entscheidungen können sich auf Ihr Leben auswirken. Zum Beispiel können gewählte Politiker*innen entscheiden, ob mehr oder weniger Geld für Barrierefreiheit ausgegeben wird oder wie inklusive Bildung funktionieren soll.

Wenn Sie wählen gehen, können Sie die Politiker*innen wählen, die gute Ideen haben. Durch Ihr Kreuzchen bei der Wahl stärken Sie Politiker*innen und Parteien, die Sie gut finden. Und Ihre Entscheidung, wen Sie wählen ist einfach sehr wichtig.

Was gibt es für Wahlen?

In Deutschland gibt es unterschiedliche Wahlen:

Kommunalwahlen finden in einer Stadt, einer Gemeinde oder einem Landkreis statt. Die Bürger*innen wählen Politiker*innen für den Stadtrat, Gemeinderat oder Kreistag. Dabei wird auch der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin und der Landrat oder die Landrätin gewählt. Diese Politiker*innen entscheiden dann über Bereiche in der Stadt, Gemeinde oder im Landkreis. Kommunal-Politik betrifft die Menschen direkt in ihrem Wohnort. Dazu gehören zum Beispiel Bereiche wie Schule, Straßenbau, Bauen, Schwimmbäder, Busse und Straßenbahnen.

Landtagswahlen finden in den 16 Bundesländern statt. Bei den Landtagswahlen wählt man Politiker*innen für die Parlamente der Bundesländer. In Bremen und Hamburg heißt der Landtag Bürgerschaft, in Berlin Abgeordnetenhaus. Jedes Bundesland hat ein Landes-Parlament. Dort werden Gesetze für das ganze Bundesland beschlossen: zum Beispiel Gesetze für Bildung, Polizei, Kultur, Radio und Fernsehen.

Bundestagswahl ist eine Wahl für ganz Deutschland. Hier werden Politiker*innen für den Bundestag gewählt. Im Bundestag beschließen die Politiker*innen Gesetze, die in ganz Deutschland gelten: zum Beispiel Gesetze zum Kindergeld und zum Mindestlohn. Der Bundestag wählt auch den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin.

Schließlich gibt es die Europawahlen. Bei der Europawahl werden Politiker*innen für das Europa-Parlament gewählt. Das Europa-Parlament kann bei Gesetzen mitentscheiden, die für die ganze Europäische Union gelten: zum Beispiel Gesetze zur Barrierefreiheit im Internet, zum Klimaschutz oder zum Tierschutz.

Wer darf wählen?

Wer wählen darf ist unterschiedlich, je nachdem um welche Wahl es geht und in welchem Bundesland gewählt wird. Etwas vereinfacht finden Sie hier die wichtigsten Voraussetzungen:

Bei der Kommunalwahl dürfen alle Menschen wählen, die:

  • mindestens 18 Jahre alt sind (gilt in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen) oder
  • mindestens 16 Jahre alt sind (in allen anderen Bundesländern),
  • einen deutschen Pass haben oder einen Pass aus der Europäischen Union
  • und schon eine gewisse Zeit im Landkreis wohnen.

Bei der Landtagswahl dürfen alle Menschen wählen, die:

  • mindestens 16 Jahre alt sind (gilt in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein) oder
  • mindestens 18 Jahre alt sind (in allen anderen Bundesländern),
  • einen deutschen Pass haben
  • und schon eine gewisse Zeit im Bundesland wohnen.

Bei der Bundestagswahl dürfen alle Menschen wählen, die:

  • mindestens 18 Jahre alt sind
  • und einen deutschen Pass haben.

Bei der Europawahl dürfen alle Menschen wählen, die:

  • mindestens 18 Jahre alt sind,
  • einen deutschen Pass haben
  • und seit mindestens drei Monaten in Deutschland oder in einem anderen Staat der Europäischen Union wohnen.

Genaue Informationen finden Sie in den jeweiligen Wahlordnungen. Informationen zu den verschiedenen Wahlen bieten auch Rathäuser.

Dürfen auch Menschen mit Betreuung wählen gehen?

Ja! In Deutschland gilt das inklusive Wahlrecht. Inklusiv heißt: Alle Menschen ab einem gewissen Alter können wählen gehen. Auch Menschen mit Behinderung und mit Betreuung in allen Angelegenheiten haben das Recht zu wählen. Ab welchem Alter Sie wählen dürfen, lesen Sie unter „Wer darf wählen?

Das inklusive Wahlrecht gilt noch nicht so lange. Bis 2019 durften Menschen mit einer Betreuung in allen Angelegenheiten nicht wählen. So stand es damals in einem Gesetz. Viele Menschen fanden dieses Gesetz ungerecht. Deswegen haben sie sich dafür eingesetzt, dass dieses Gesetz geändert wird. Denn auch Menschen mit einer Betreuung haben eine Meinung und wollen wählen gehen. Im Jahr 2019 ist das Gesetz geändert worden: Jetzt dürfen alle Menschen wählen, auch Menschen mit einer Betreuung in allen Angelegenheiten. (Bundeswahlgesetz Paragraf 12 und 13)

Wie kann ich wählen?

Bei Wahlen können Sie auf zwei Arten wählen:

1. Wählen im Wahllokal
Sie können am Tag der Wahl in Ihr Wahllokal gehen. Dort bekommen Sie einen oder mehrere Stimmzettel und wählen vor Ort. Eine Hilfs-Person kann Sie begleiten, wenn Sie das wollen. Sie können vor der Wahl auch eine Wahl-Schablone anfordern. Achtung: Nehmen Sie Ihre Wahlbenachrichtigung und Ihren Personalausweis mit.

2. Wählen per Briefwahl
Wenn Sie nicht ins Wahllokal gehen möchten, können Sie auch zu Hause per Briefwahl wählen. Achtung: Sie müssen die Briefwahl vor der Wahl beantragen. Auf Ihrer Wahlbenachrichtigung steht, wie Sie die Briefwahl beantragen können. Sie bekommen dann alle Unterlagen per Post zugeschickt. So können Sie zu Hause wählen und die Unterlagen wieder per Post zurückschicken. Die Briefwahl ist kostenlos.

Wie finde ich heraus, ob mein Wahllokal barrierefrei ist?

Vor der Wahl bekommen Sie eine Wahlbenachrichtigung. Auf dieser Wahlbenachrichtigung steht auch, ob Ihr Wahllokal barrierefrei ist.

Wenn Ihr Wahllokal nicht barrierefrei ist, können Sie in ein anderes Wahllokal gehen. Dafür brauchen Sie einen Wahlschein. Sie müssen den Wahlschein bei Ihrer Gemeinde beantragen.

Wenn Sie Fragen dazu haben: Auf der Wahlbenachrichtigung steht auch eine Telefonnummer, die Sie bei Fragen zur Wahl anrufen können.

Welche Hilfen gibt es für Wähler*innen mit Behinderung?

Menschen mit Behinderung können bei der Wahl Hilfe und Unterstützung bekommen.

Sie können zum Beispiel eine Wahl-Schablone bekommen, wenn Sie nicht gut sehen können oder blind sind. Wahl-Schablonen sind kostenfrei. Jede Wahl-Schablone ist nur für eine bestimmte Wahl gemacht. Die Wahlschablone hat Löcher, wo man das Kreuz für die Parteien oder Politiker*innen machen kann. Mehr zu den Wahl-Schablonen erfahren Sie beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband.

Sie können auch Unterstützung durch eine Hilfs-Person bekommen, wenn Sie das wollen: Die Hilfs-Person hilft Ihnen, den Stimmzettel auszufüllen und zu falten. Sie können sich Ihre Hilfs-Person frei aussuchen. Wichtig ist: Die Hilfs-Person darf nicht für Sie entscheiden, wen Sie wählen. Die Hilfs-Person darf Ihre Entscheidung auch nicht beeinflussen. Nur Sie selbst dürfen entscheiden, wen Sie wählen. Die Hilfs-Person kann mit Ihnen zum Beispiel in die Wahlkabine gehen, den Wahlzettel vorlesen, beim Ankreuzen helfen oder den Wahlzettel falten. Die Entscheidung, wen Sie wählen, treffen nur Sie selbst (Bundeswahlgesetz Paragraf 14).

Vor der Wahl bekommen Sie eine Wahlbenachrichtigung zugeschickt. Dort steht auch eine Telefonnummer, die Sie bei Fragen zur Wahl anrufen können.

Wie kann ich mich vor der Wahl informieren?

Vor der Wahl versuchen Parteien und Politiker*innen, viele Menschen zu informieren. Dafür machen sie Wahlkampf. Zum Wahlkampf gehören:

  • Werbung: Parteien und Politiker*innen machen Werbung für sich. Zum Beispiel hängen sie Plakate in der Stadt auf. Und es gibt Werbung im Radio, im Internet, im Fernsehen.
  • Kontakt mit den Menschen: Politiker*innen informieren die Menschen über ihre Ideen und Pläne, zum Beispiel mit Info-Ständen in der Stadt. Sie halten auch öffentliche Reden in vielen Städten und Gemeinden.
  • Wahlprogramme: Viele Parteien schreiben vor den Wahlen ihre Pläne auf. In diesen Wahlprogrammen steht, was eine Partei machen möchte, wenn sie gewählt wird. Die Wahlprogramme finden Sie meist auf den Internetseiten der Parteien.

Sind Informationen zu Politiker*innen und Parteien barrierefrei?

Die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien sind oft in Leichter Sprache, als Audio und in Fremdsprachen verfügbar. Viele Reden und Interviews von Politiker*innen im Fernsehen werden auch in Gebärdensprache übersetzt.

Doch Webseiten und Social Media Beiträge der Parteien sind oft nicht barrierefrei:

  • Oft fehlen Texte, die Bilder für blinde Menschen beschreiben.
  • Oft kann man sich die Informationen nicht vorlesen lassen.
  • Nur selten werden Texte in Leichte Sprache, Einfache Sprache oder Gebärdensprache übersetzt.
  • Auch Videos sind selten in Leichter Sprache oder Gebärdensprache verfügbar.

Wahlplakate sind oft in großer Schrift einfach zu lesen. Doch einige Plakate sind zum Beispiel an Laternenpfeilern so aufgehängt, dass Menschen mit Sehbehinderung sich daran stoßen können. Auch das ist nicht barrierefrei.

Gibt es Politiker*innen mit Behinderung? Wo finde ich sie?

Politiker*innen mit Behinderung gibt es, doch es sind viel zu wenige. Deswegen ist es schwer, Politiker*innen mit Behinderung zu wählen.
Hier sind einige Beispiele von Politiker*innen mit einer Behinderung:

  • Wolfgang Schäuble (CDU) ist seit 1972 Mitglied des Deutschen Bundestags.
  • Malu Dreyer (SPD) ist seit 2013 Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.
  • Bijan Kaffenberger (SPD) ist seit 2019 Mitglied des Hessischen Landtags.
  • Katrin Langensiepen (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments.

Für die Bundestagswahl, Landtagswahl und Kommunalwahl können Sie auch nach Politiker*innen mit Behinderung aus ihrem Wahlkreis suchen. Informieren Sie sich dafür im Internet oder in Info-Broschüren der Parteien.

Warum es eigentlich mehr Politiker*innen mit Behinderung geben sollte

Eine Studie in Großbritannien hat gezeigt: Wähler*innen bewerten Politiker*innen mit Behinderung als genauso kompetent wie Politiker*innen ohne Behinderung. Die Wähler*innen bewerten Politiker*innen mit Behinderung außerdem als warmherziger, ehrlicher und engagierter bei Themen wie Gesundheit und Soziales. (Zur Studie in englischer Sprache.)

Das bedeutet, dass Politiker*innen mit Behinderung gute Chancen haben, von den Menschen gewählt zu werden. Doch anscheinend fehlt den Politiker*innen mit Behinderung die Unterstützung in den eigenen Parteien.

Kümmern sich Politiker*innen mit Behinderung nur um Themen, die mit Behinderung zu tun haben?

Nein. Zwar sind für einige Politiker*innen mit Behinderung Inklusion, Barrierefreiheit und Behinderung wichtige Themen. Doch es gibt auch Politiker*innen mit Behinderung, die in anderen Bereichen der Politik arbeiten: zum Beispiel Klimaschutz, Finanzen, Arbeit.

Beides ist wichtig. Denn Menschen mit Behinderung sollten überall dabei sein. So können sie ihre Sicht auch in alle Bereiche der Politik einbringen.

Was sind behindertenpolitische Sprecher*innen?

Behindertenpolitische Sprecher*innen gibt es in vielen Parteien. Sie sind die Expert*innen in den Themen Behinderung, Inklusion, Teilhabegesetz, UN-Behindertenrechtskonvention oder Barrierefreiheit.

Die verschiedenen Parteien wählen jeweils eine eigene behindertenpolitische Sprecherin oder einen eigenen behindertenpolitischen Sprecher. Wenn Fragen zum Thema Behindertenpolitik auftauchen, können sie diese Fragen beantworten.

Behindertenpolitische Sprecher*innen setzen sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderung in Deutschland die gleichen Rechte und Chancen haben wie alle anderen Menschen.

Alle großen Parteien in Deutschland haben behindertenpolitische Sprecher*innen:

  • Wilfried Oellers (CDU)
  • Angelika Glöckner (SPD)
  • Corinna Rüffer (Die Grünen)
  • Sören Pellmann (Die Linke)
  • Jens Beeck (FDP)

Die behindertenpolitischen Sprecher*innen sind auch Ansprechpartner*innen für Menschen mit Behinderung. Wenn Sie Fragen oder Vorschläge haben, können Sie diese Politiker*innen anrufen oder anschreiben. Viele Politiker*innen freuen sich über Anfragen.

Zur Bundestagswahl 2021 hat die Aktion Mensch den behindertenpolitischen Sprecher*innen der großen Parteien Fragen gestellt. Interviews lesen.

Was kann ich sonst noch machen, um mich politisch zu engagieren?

Politik und politisch aktiv sein bedeuten nicht nur wählen gehen. Sie haben noch viele weitere Möglichkeiten, politisch aktiv zu werden. Zum Beispiel:

  • Sie können in Vereinen oder Organisationen mitmachen und sich zum Beispiel für Klimaschutz, Barrierefreiheit oder Menschenrechte einsetzen.
  • Sie können an einer Demonstration teilnehmen. Oder selbst eine organisieren.
  • Sie können eine Petition starten oder eine Petition unterschreiben. Petitionen kann man an die Parlamente schicken, wenn man etwas erreichen will. Auf www.epetitionen.bundestag.de können Sie auch eine Online-Petition starten.
  • Sie können Mitglied in einer Partei werden und sich als Politiker oder Politikerin bewerben.

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